Georg Michael Eduard Lingel

Portrait von Eduard Lingel

Georg Michael Eduard Lingel wurde am 17. April 1849 als Sohn des Tuchmeisters Elias Lingel und seiner Frau Elenore in Königsberg geboren.

Eduard Lingel war knapp neun Jare alt, als sein Vater anfang 1858 mit 41 Jahren starb. Seine Mutter Eleonore heiratete daraufhin den Kaufmann Christoph Friedrich Dreßler. 
Nach Lingels Volksschulzeit in Königsberg verzog Familie Dreßler-Lingel 1864 nach Schweinfurt, wo Eduard Lingel Kaufmannslehrling in einem Barmer Textilbetrieb wurde. Er erlernte drei Fremdsprachen und erwarb juristische Kenntnisse. Mit 23 Jahren beschloss er, Unternehmer zu werden.
In Königsberg kam zu Beginn des 19. Jahrhunderts das Schuhmacherhandwerk auf. Schuhmacher und Rotgerber bildeten sogar eigene Innungen. Der junge Lingel wird in Königsberg seine Anregungen bekommen haben.

Er ging nach Erfurt, weil sich dort bereits im ersten Jahrzehnt nach 1800 das Schuhmacherhandwerk in mehreren Betrieben entwickelt hatte; überwiegend durch Vergabe der Arbeiten an Heimarbeiter.
Lingel schwebte eine neue, fabrikmäßige Arbeitsmethode vor. 1872 zog seine Familie zu ihm nach Erfurt. Eduard Lingel gründete im Herbst 1872 seinen ersten Betrieb und stellte Sergestiefel her. Zunächst waren etwa 50 Heimarbeiter beschäftigt.
Der Betrieb stellt bald auf Fabrikarbeit um und expandierte stetig. 1875 waren bereits 300 Arbeiter dauernd beschäftigt. Es begann die Anfertigung von Kinder-, Mädchen- und Damenestiefeln.

Die Zahl der Beschäftigten stieg weiter an und der anlaufende Export nach Schweden, Holland und Amerika ließ bis 1886 die Belegschaft auf 600 Arbeitnehmer ansteigen. Die bedeutende Größe, zu der die erste Schuhfabrik Deutschlands angewachsen war, veranlasste den Firmengründer und bisher alleinigen Inhaber Eduard Lingel im selben Jahr die Firma in eine offene Handelsgesellschaft umzuwandeln. Der Weltruf des Hauses Lingel war fest begründet. Seine ständigen Vertretungen saßen in zwölf Staaten in Europa und Übersee.

Nach einem verheerenden Brand in der Fabrik wurde im Herbst 1887 ein neuer Produktionsstandort gesucht. Es entstand ein Fabrikkomplex, der sich im Laufe der Zeit auf 50.000 Quadratmeter ausdehnte.

Das Jahr 1898 brachte die Umwandlung der offenen Handelsgesellschaft in eine Aktiengesellschaft, weil ein solcher Betrieb nicht mehr als Privatunternehmen fortzuführen war. An der Spitze blieb Eduard Lingel als Aufsichtsratsvorsitzender.

Im Ersten Weltkrieg beschränkte sich die Produktion auf Militärstiefel und Instandsetzung gebrauchter Militärstiefel. Die Aufhebung der Zwangswirtschaft nach Kriegsende im September 1919 förderte ganz erheblich die Produktion. Durch neue Modelle konnte der Weltruf der Lingel-Produkte wieder hergestellt werden. 1922 beschäftigte der Lingel-Konzern 2.200 Angestellte und Arbeiter. Eine Ansicht des Werkkomplexes der damaligen Zeit ist links abgebildet. Die Jahresproduktion lag bei zwei Millionen Paar Lingelschuhen.

Es gibt zahlreiche Beweise, dass Eduard Lingel zeitlebens sehr an seiner Geburtsstadt hing. Er finanzierte teilweise die Resturierung der Marienkriche und stiftete 1912 ein Volks- und Schulbad, dass einen für damalige Verhältnisse ungeheuren hygienischen Fortschritt brachte. Die Spendenfreudigkeit Lingels war unübertrefflich. Es waren jeweils 1.000-Mark-Spenden, bezogen auf die damalige Zeit viel Geld, die in jährlicher Regelmäßigkeit in Königsberg eintrafen; im Ersten Weltkrieg gedacht für Bedürftige, deren Männer an der Front standen, für Kriegerwitwen und Ortsarme. Neben weitern finanziellen Zuwendungen vermachte er der Stadt 1922 500.000 Mark zum Bau einer neuen Schule. Der Stadtrat konnte sich nicht einigen, an welcher Stelle der Stadt der Neubau der Schule errichtet werden sollte. Da die Inflation vor der Türe stand und 1923 die Geldentwertung zu eskalieren begann, verbrauchte man das Lingelgeld schnell für den Straßenbau. Die Stadt Königsberg dankte ihrem Wohltäter dadurch, dass sie ihn bereits 1910 zum Ehrenbürger ernannte.
Um einen Sommersitz in Königsberg zu haben, erwarb die Familie Lingel-Dreßler die »Villa« an der Schloßsteige.

Eduard Lingel heiratete zweimal, und hatte eine Sohn aus zweiter Ehe. Seine Nachfahren leben heute noch in Erfurt. Eduard Lingel zog sich schon anfang des I. Weltkrieges aus der Geschäftsleitung zurück, machte aber noch als Privatier wichtige Geschäftsreisen und blieb bis zu seinem Tode am 27. Februar 1922 Aufsichtsratsvorsitzender des Lingel-Konzerns. Er lebte als Witwer zuletzt in Hamburg.

Der Betrieb ging im Zuge der Inflation in andere Hände über und blieb nicht in Familienbesitz, firmierte aber nach wie vor als Schuhfabrik Eduard Lingel. nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Fabrik Volkseigentum und produzierte unter dem namen VEB-Schuhfabrik, ab 1953 VEB-Schuhfabrik »Paul Schäfer«, in der DDR. Nach der Wende 1989/90 erinnerte man sich an den einstmals zugkräftigen Namen »Lingel« und gründete in einem Teil der Gebäudlichkeiten die Lingel-Schuhfabrik GmbH in Erfurt. Der weitaus größere Teil der Fabrik stand unter Verwaltung der Treuhand. Die Produkte konnte sich auf dem Markt nicht durchsetzen. So ging das gesamte Unternehmen in Liquidation. Es gibt keine Lingelschuhe mehr.